Donnerstag, 28. Juli 2016

Langsames Reisen

Vor etwa fünfzehn Jahren, als ich häufiger für die damalige "proBahn-Zeitung" (heute: "der Fahrgast") schrieb und in Weilheim/Obb. wohnte, machte ich einmal einen Ausflug nach Augsburg. Es war ein heißer Tag, und ich geriet in der zweitältesten Stadt Deutschlands an eine Bushaltestelle, die in praller Sonne stand - eine Mauer hinter mir reflektierte Licht und Hitze dazu. Es warteten noch mehrere Leute mit mir auf den verspäteten Bus.
Einer, ein Mann etwa Mitte vierzig, gab sich ziemlich nervös, wischte sich dauernd mit einem Taschentuch durchs Gesicht und blickte sich wie gehetzt um. Plötzlich schrie er einen anderen, der schräg hinter ihm stand, heftig an: "Ich verbiete Ihnen, weiterhin meinen Schatten mitzubenutzen!"
Zum Glück kam da endlich der Bus - ich weiß nicht, wie die Szene sonst weitergegangen wäre.
Ein anderes Erlebnis hatte ich im nahen München. Ich saß auf einer Vorortstrecke in der S-Bahn. An einer Station stieg ein Mann ein, setzte sich und zündete sich, bevor der Zug abfuhr, gleich eine Zigarette an. Ein älterer Herr ihm gegenüber sah das, stand auf, nahm ihm einfach die Zigarette aus dem Mund und warf sie durch die sich gerade schließende Tür noch hinaus auf den Bahnsteig. Im Setzen deutete er dann auf ein Rauchverbotsschild. Der Raucher war so verblüfft, dass er die ganze Zeit über sprachlos blieb.
Ich frage mich, wie hätten die Leute im Ruhrgebiet reagiert, oder in Leipzig, Berlin oder Hamburg? Gibt es in den Regionen unterschiedliche Charaktere und typische Verhaltensweisen? Es wäre doch interessant, einmal durch ganz Deutschland zu reisen und Vergleiche anzustellen.
Bild: https://pixabay.com


Von Mittenwald bis Flensburg: Öffentlicher Personennahverkehr
Das brachte mich auf die Idee, Deutschland einmal mit dem öffentlichen Nahverkehr zu durchqueren, von Mittenwald an der österreichischen Grenze bis Flensburg nahe Dänemark, von Lörrach bis Sassnitz, von Emden bis Zittau. Innerhalb der Verkehrsverbünde wären mir nur Busse und Straßenbahnen, außerhalb dieser Gebiete allenfalls Regionalbahnen und Linienbusse erlaubt. Ein Blick auf die Karte zeigte mir, dass die Verkehrsverbünde in vielen Gegenden ineinander übergingen und dass direkte Anschlüsse möglich waren.
Ich hätte Zeit, mir Land und Leute anzusehen, den Menschen zuzuhören und zugleich die Unterschiede zwischen den diversen Nahverkehrsangeboten zu vergleichen. Ich würde Zeit und Geld brauchen, Letzteres vielleicht nicht allzuviel, wenn ich die Verkehrsverbünde um Freifahrtscheine anbettelte. Immerhin wollte ich ja über ihre Vorzüge und Nachteile schreiben und meine Testergebnisse meiner Zeitschrift und der jeweiligen Lokalpresse zur Veröffentlichung anbieten. Ausverschiedenen Gründen wurde aus dieser Idee nichts - man hat immer Verpflichtungen, die einen an Zuhause binden. Der Traum ist nicht aufgegeben: Ich habe inzwischen von einer jungen Frau gehört, die in Fernzügen lebt - sie hat sich eine Bahncard 100 für die Bahn gekauft, reist kreuz und quer durchs Land, übernachtet in den Zügen und erledigt ihre Büroarbeit auf dem Laptop. Wenn man überall Freunde hat, bei denen man Gepäck deponieren, Wäsche wechseln und waschen und sich selber duschen kann, dann geht das - die Bahncard gibt es im Abo, man kann also statt rund 4100 Euro auf einen Schlag monatlich etwa 380 Euro zahlen (ist dann also etwas teurer). Das ist immer noch deutlich billiger als ein Apartment, bei dem ja auch noch Strom, Heizung, Müllgebühren und sonstige Nebenkosten anfielen. Statt dessen hat man vielerorts durch die Bahncard auch noch City Tickets und diverse Ermäßigungen. Ein gutes Handy / Smartphone ersetzt den Telefonanschluss (aufladen ist in vielen Zügen möglich). Wichtig: Man braucht eine Meldeadresse, damit man bei Behörden nicht als obdachlos gilt und damit die GEZ ihre Gebühren kassieren kann. Auch seine Ernährung sollte man gut durchdenken: Man kann nicht nur von belegten Semmeln leben oder sich im Speisewagen versorgen.
 
Regionales Reisen
Da ich es nicht schaffe, so viel unterwegs zu sein, habe ich in diesem Jahr "reginales Reisen" ausprobiert - eine Art erweiterte Städtereise. Man nimmt eine größere Stadt als Ausgangspunkt, mietet dort eine preiswerte Unterkunft (bei privaten Vermietern, in Pensionen usw.) für eine oder zwei Wochen (ideal wäre ein ganzer Monat) und erkundet mit dem Nahverkehr die nähere und weitere Umgebung. Ich habe das in diesem Jahr mit Amsterdam und Barcelona gemacht, auf früheren Fernreisen u.a. in Manila. Man lernt die jeweilige Stadt und das Alltagsleben besser kennen, entdeckt Vieles abseits der üblichen Touristenpfade und kann Kultur- mit Erholungsphasen abwechseln. Meine Erlebnisse werde ich hier im Blog in diversen Einzelberichten wiedergeben.

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